Stadtarchiv Bautzen erhält erneut umfangreiche Bundes- und Landesmittel zur Rettung von Unterlagen zur Stadtgeschichte

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Obwohl in den letzten Jahrzehnten viel dafür getan wurde, das Stadtarchiv als Gedächtnis der Stadt Bautzen zu retten, zu erhalten und nutzbar zu machen, gibt es noch immer Archivgut, das aufgrund der früher sehr unzureichenden Lagerung schwer beschädigt ist und damit der Forschung nicht zur Verfügung steht. Alleine hätte die Stadt Bautzen nicht die Mittel, ihr über die Grenzen der Stadt hinaus bedeutsames Kulturgut zu erhalten. Umso erfreulicher ist es, dass Bund und Länder den Kommunen seit einigen Jahren umfangreiche Mittel zur Erhaltung des schriftlichen Kulturerbes zur Verfügung stellen. Die über die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Ländergemeinschaft über die Kulturstiftung der Länder finanzierten Fördermittel werden durch die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) koordiniert und optimiert. Seit 2010 unterstützt die KEK besonders modellhafte und öffentlichkeitswirksame Projekte, seit 2017 werden über ein Sonderprogramm Mengenverfahren wie Massenentsäuerung, Trockenreinigung oder Schutzverpackung finanziert.

Bereits in den letzten Jahren konnten wir für das Stadtarchiv Bautzen umfangreiche Mittel aus beiden Programmen akquirieren und wir freuen uns sehr, dass dies nun auch für 2023 wieder gelungen ist. Kürzlich erhielten wir sowohl für das beantragte Modellprojekt „Landsknechte, Bergleute, sorbische Prediger. Restaurierung städtischer Spezialrechnungen aus dem böhmischen Bautzen (15. bis frühes 17. Jh.)“ als auch für das im Rahmen des Sonderprogramms zu realisierende Projekt „Von Apotheker bis Zimmermann. Trockenreinigung von nichtamtlichen Unterlagen aus sechs Jahrhunderten Gewerbe- und Handwerksgeschichte“ eine Zusage über insgesamt 39.500 Euro vom Bund. Zusätzlich unterstützt der Freistaat Sachsen das letztgenannte Projekt mit 14.600 Euro. Diese Mittel erhält die Stadt von der 2022 eigens für die Unterstützung nichtstaatlicher Archive beim Sächsischen Staatsarchiv eingerichteten „Koordinierungs- und Beratungsstelle Bestandserhaltung sächsische Archive (KBB)“.

Worum geht es in den Projekten, welchen Unterlagen kommt das Geld zu Gute und was hat der Bürger davon? Über das Modellprojekt „Landsknechte, Bergleute, sorbische Prediger. Restaurierung städtischer Spezialrechnungen aus dem böhmischen Bautzen (15. bis frühes 17. Jh.)“ können 31 Rechnungskonvolute restauriert werden, die durch Schimmel und mechanische Schäden in ihrer Existenz gefährdet sind. Inhaltlich handelt es sich dabei um z.T. in Pergamenthandschriften eingebundene Rechnungsbücher bzw. -hefte von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis 1635; allesamt Spezialrechnungen, die von der städtischen Kämmerei für verschiedene Teilbereiche der Finanzverwaltung angelegt worden sind und damit ungemein detaillierte Einblicke in unterschiedliche Lebensbereiche dieser Epoche bieten. Dabei reicht die inhaltliche Spanne von Belegen zu den Ratsdörfern über Steuersachen, bis zu einer Bergwerksrechnung von 1478 und einem Verzeichnis der Landsknechte aus dem Jahr des sogenannten Pönfalls (1547).

Über das Sonderprogramm wiederum können die sehr stark verschmutzten Unterlagen der Bautzener Innungen gereinigt werden. Die schriftlichen Zeugnisse zur Geschichte von immerhin 70 in Bautzen ansässigen Handwerkerinnungen bzw. -zünften werden seit ca. 1930 im Stadtarchiv verwahrt, vorher lagerten sie in den hölzernen Innungsladen, die heute im Stadtmuseum zu bewundern sind. Der Bestand umfasst ca. 220 Bücher, weiterhin 320 großformatige Urkunden und knapp 4.800 sonstige Einzelschriftstücke, Konvolute und Akten. Besonders beachtenswert ist, dass 35 Bücher in mittelalterliche Handschrifteneinbände aus Pergament oder vergleichsweise alte Ledereinbände eingebunden worden sind. Eine Vorprüfung durch das Handschriftenzentrum der Universität Leipzig hat bereits gezeigt, dass die Einbände eine hohe Forschungsrelevanz haben. Neben besonders frühen Handschriftenfragmenten (seit dem späten 12. Jahrhundert) konnte u.a. ein seltenes Blatt des Sachsenspiegel-Lehnrechts aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts identifiziert und bereits in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift bekannt gemacht werden (Oppitz, Ulrich-Dieter, Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften“, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 140 (2023), S. 411-421, hier S. 411).

Nach Abschluss beider Maßnahmen werden die Archivalien archivwissenschaftlich aufgearbeitet. Sie finden Eingang in unsere Datenbank und werden über das Portal Findbuch.Net recherchierbar gemacht. Interessierte können die Unterlagen dann vor Ort in unserem Lesesaal benutzen und selbst herausfinden, ob ihr Vorfahr einer der Landsknechte war oder wann die Innung, dem der Großvater angehörte, gegründet wurde.

Abb. 1: Privileg der Papiermacher, deutlich sichtbar sind die Verschmutzungen der Oberfläche, überformatiges Pergament liegt in einem zu kleinen Karton
Abb. 2: Buch aus einem Karton mit der Aufschrift „verschiedene Innungen“, inhaltlich noch zu erschließen, Laufzeit von 1634 bis 1664
Abb. 3: Buch der Hutmacherinnung mit mittelalterlichem Pergamenteinband, verschmutzt
Abbildung 4: Kammerzinsregister von 1522–1524, Befall mit Schimmel, stark verschmutzt
Abbildung 5: Collage schwer beschädigter Spezialrechnungen
Abb. 6: Logo der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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