Als Bautzen vor 400 Jahren (erstmals) sächsisch wurde: der 23. Juni 1623 als Zäsur?

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Historische, gezeichnete Stadtansicht. Die Stadt steht unter Beschuss und Rauchsäulen steigen in den Himmel

Vor wenigen Tagen jährte sich ein historisches Ereignis zum 400. Mal, das für den Übergang der Oberlausitz von Böhmen zu Sachsen außerordentlich hohe Bedeutung besaß.

Das mittelalterliche und frühneuzeitliche Bautzen als Teil der Oberlausitz gehörte jahrhundertelang zu den Ländern der Böhmischen Krone, der Landesherr regierte dementsprechend meist von Prag aus. Dies änderte sich im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges, als der protestantische Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen zunächst Partei für den katholischen Kaiser ergriff und für diesen ab 1619/20 die beiden Lausitzen militärisch besetzte. Nach mehrwöchiger Belagerung samt Beschießung unterwarf sich die Stadt Bautzen dem in Dresden residierenden kursächsischen Herrscher im Herbst 1620. Für die entstandenen kursächsischen Kriegskosten, die Kaiser Ferdinand II. aufgrund permanenter Geldnot nicht begleichen konnte, erhielt Johann Georg die Markgraftümer Ober- und Niederlausitz als Pfand. Deren Stände huldigten ihrem Pfandherrn am 23. Juni 1623, also vor genau 400 Jahren, was eine im Staatsfilialarchiv verwahrte Urkunde dokumentiert. Da sich die Finanzsituation der Habsburger kaum besserte, konnten die verpfändeten Territorien jedoch nicht mehr eingelöst werden. Im Zuge des Prager Friedens von 1635 bekam Sachsen die beiden böhmischen Nebenländer endgültig zugesprochen.

Während das Jahr 1635 zweifellos als verfassungsrechtliche Zäsur gelten muss, stellt sich im Falle von 1623 die Frage, ob Bautzen nicht bereits damals faktisch sächsisch geworden war? Immerhin redete der Kurfürst die Stadträte in der Folge als seine „lieben Getreuen“, also als Untertanen, an und innerhalb der Stadtmauern wurden dauerhaft sächsische Soldaten einquartiert. Andererseits vergab der Kaiser weiterhin Privilegien an die Stadt, etwa im Juli 1623 für die Papiermühle und schlichtete einen Konflikt, nachdem sich der Bautzener Rat im Juni 1628 an ihn als Landesherrn gewandt hatte.

Folglich kann das Jahr 1623 zwar insofern als Zäsur gelten, als dass die Stadt nach mehr als 300 Jahren nicht mehr einem böhmischen König, sondern einem sächsischen Kurfürsten huldigen musste. Der faktische und verfassungsrechtliche Übergang Bautzens von Böhmen nach Kursachsen war indessen bei weitem noch nicht vollzogen wurden. Für eine abschließende Klärung der Frage fehlt es jedoch an detaillierteren Einzeluntersuchungen auf Grundlage der archivalischen Überlieferung, zu denen wir alle interessierten Historikerinnen und Historiker herzlich einladen.

Historische, gezeichnete Stadtansicht. Die Stadt steht unter Beschuss und Rauchsäulen steigen in den Himmel
Belagerung von Bautzen im September 1620, Kupferstich von Matthäus Merian, Wikimedia Commons
Ansicht einer Urkunde mit rotem Wachssiegel
Urkunde Kaiser Ferdinands II., Privileg für die Papiermühle, 24. Juli 1623 (Archivverbund Bautzen, Stadtarchiv, Best. 61000 Urkunden, Nr. 4452)

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