Bestand „61000 Urkunden“

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Das Stadtarchiv Bautzen besitzt einen außerordentlich umfangreichen und für die überregionale historische Forschung überaus wertvollen Bestand an Urkunden, der Mitte des 13. Jahrhunderts beginnt und bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts reicht.

Die für eine Stadt dieser Größe sehr besondere Überlieferung resultiert aus der besonderen verfassungsrechtlichen Situation der Stadt Bautzen als Hauptstadt der Oberlausitz. Hier saß der Landvogt als Vertreter des jeweiligen Landesherrn, hier wurden die Landtage der Stände von Land und Städten veranstaltet und zudem war Bautzen die schrift- und siegelführende Stadt innerhalb des Sechsstädtebundes. In Abhängigkeit des Landesherrn war die Oberlausitz manchmal stärker oder auch schwächer in die Herrschaftspraxis der jeweiligen Landesherren eingebunden. Während der böhmischen Zeit waren die Stände nicht zur Wahl des böhmischen Königs berechtigt, konnten aber ihre eigene Herrschaft zum Ausdruck bringen, indem sie dem neuen Herrscher in einem Huldigungsakt ihre Anerkennung zum Ausdruck brachten, worauf die Bestätigung ihrer Privilegien erfolgte. Dies geschah in der Regel durch Ständevertreter, die an der Krönungsfeier in Prag teilnahmen. Eine stärkere Einbindung gab es während der Zeit des böhmischen Königs Karl IV., der sie intensiv berücksichtigte und mehrmals besuchte. Er sah die Oberlausitz nicht als randständiges Territorium an, sondern als eine Brückenlandschaft zwischen Böhmen, Sachsen, Schlesien und Brandenburg. In dieser besonderen Konstellation liegt eine Begründung, warum es im Stadtarchiv Bautzen einen überregional bedeutsamen Bestand insbesondere auch an päpstlichen und an königlichen Urkunden gibt. Aktuell können wir 4644 Urkunden im Bestand nachweisen, davon 3 Papsturkunden, 100 Kaiserurkunden, 374 Königsurkunden und 83 Urkunden des Kurfürsten; 717 Urkunden wurden auf Pergament ausgefertigt, was besondere Maßnahmen an die Lagerung und Erhaltung erfordert.

Die existentielle Bedeutung der Urkunden, die der Stadt vor allem ihre Rechte und Privilegien sowie Besitztümer sicherten, war den jeweils regierenden Bürgermeistern bewusst und sie bewahrten diese deswegen so sicher wie möglich auf. Neuere Forschungen haben ergeben, dass der 1493 vollendete Turmbau des Rathauses möglicherweise überhaupt nur vollzogen wurde, um darin einen massiven Archivraum einzurichten.

Der Urkundenbestand wurde in den Jahren 1847/48 durch den Registrator Heerklotz erstmals gezielt erfasst. Das damals angefertigte Findbuch zählt allein über 100 Urkunden aus der Zeit zwischen 1259 und 1769 betreffend der städtischen Privilegien. Dank der Mühe und des Verantwortungsbewusstseins früherer Ratsangestellter und Archivare sind heute fast alle dieser Urkunden noch erhalten. Darunter sind so wichtige Privilegien wie die Befreiung vom Salzmonopol und das Privileg zur Abhaltung eines Salzmarktes bzw. von Märkten überhaupt, die Gestattung zur Errichtung eines Kaufhauses oder Regelungen zur Gerichtsbarkeit. Die Privilegien wurden bei Amtsantritt durch eine Urkunde immer wieder vom jeweiligen Landesherrn bestätigt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergrößerte sich der Urkundenbestand stark, als der Dresdner Archivrat Ermisch im Bautzener Rathaus einen verschlossenen Schrank mit einer großen Anzahl bislang unbekannter Urkunden entdeckte. Das war der Anlass für den Bautzener Stadtrat, den Gymnasialprofessor Paul Arras im Nebenamt mit der Erschließung der Urkunden zu beauftragen. Zwischen April 1889 und Mai 1899 bearbeitete Arras die aus dem sogenannten „Fund Ermisch“ stammenden knapp 3000 Urkunden, nach seiner Anstellung im Nebenamt ab 1900 dann auch die bereits bekannten Stücke. Bis zur Übergabe des Archivs an seinen Nachfolger Kurt Marx im Mai 1929 hatte Arras alle städtischen Urkunden registriert. Diese Erschließung war der einzige Zugang zu den Bautzener Urkunden, den die Forschung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts hatte; eine moderne Erschließung war dringend geboten. Im Jahr 2011 konnte der gesamte Urkundenbestand digitalisiert werden, was Voraussetzung für eine externe wissenschaftliche Erschließung war. Diese erfolgte zwischen 2013 und 2018 durch mehrere Historiker unter Leitung von Dr. Lars-Arne Dannenberg. Es wurden 5884 Regesten überarbeitet oder - sofern Urkunden bislang nicht erfasst waren - neu erstellt. Ein Viertel der Regesten verweisen allerdings nicht auf physisch im Bestand „61000 Urkunden“ vorhandene Urkunden, sondern auf Unterlagen in anderen Beständen des Stadtarchivs (insbesondere auf den Bestand 68002 Handschriftensammlung), die Arras mit registriert und die Regesten dann chronologisch mit in den Urkundenbestand eingeordnet hatte.

Vervollständigt wurde der Bestand durch eine Reihe von bislang nicht erschlossenen Unterlagen, die zwar schon im Repertorium von 1847/48 aufgelistet waren, dann aber scheinbar in Vergessenheit gerieten und unbearbeitet im Bestand lagen. Zudem gab es auch eine Reihe von Urkunden, die scheinbar weder von Arras noch von Marx bearbeitet worden waren und damit für die Forschung völlig unbekannt sind. Ein weiterer spannender Umstand ist die Tatsache, dass sich im Bestand Urkunden befinden, die inhaltlich scheinbar gar keine Verbindung zu Bautzen oder der Oberlausitz aufweisen. Hier müsste eine Provenienzforschung erfolgen und klären, wie diese Urkunden in den Bestand des Bautzener Stadtarchivs gekommen sind.

Hinweise zur Nutzung

Für jede Urkunde wurden im Zuge der Überarbeitung inhaltliche sowie formale Angaben aufgenommen. Die wichtigsten inhaltlichen Angaben stehen in den Feldern „Regest“ und „Entstehungszeitraum/Laufzeit“; im Feld „Regest“ findet sich eine kurze inhaltliche Beschreibung zum Inhalt der Urkunde, im Feld „Entstehungszeitraum/Laufzeit“ die Datierung. Hierfür war es oft notwendig, die in der Urkunde angegebene, historische Datierung in ein Echtdatum umzuwandeln bzw. dieses zu ermitteln. Ergänzend kann man sich auch über die originale Datierung in der Urkunde, über den Ausstellungsort oder über weitere, in der Urkunde genannte Personen informieren. Eine Edition der Urkunde steht nicht zur Verfügung. Sofern es diese aber in der Literatur bereits gibt, ist die Quellenangabe unter „Edition“ vermerkt. Formale Angaben wie Größe, Beschreibstoff, Beglaubigungsmittel oder Sprache ermöglichen, sich – über das Digitalisat hinaus - ein anschauliches Bild von der Urkunde zu verschaffen. Im Feld „Existenz“ ist angegeben, ob die Urkunde im Bestand vorhanden ist, fehlt, oder ob es sich um einen von Arras angefertigten Querverweis auf andere Bestände handelt. In diesem Fall ist für die Urkunde in der Regel kein Digitalisat hinterlegt.

Die Urkunden sind auf den Plattformen Findbuch.net, Archivportal-D und auch im größten digitalen Urkundenportal „Monasterium“ digital einsehbar.

Den abschließenden Bearbeitungsbericht könne sie hier abrufen.

Urkunde vom April 1585: Kaiser Rudolf II. bestätigt Bürgermeister, Rat und Gemeinde der Stadt Bautzen ihre Freiheiten und Privilegien, insbesondere das Privileg von Kaiser Karls IV. aus dem Jahr 1364, dass Bautzen nie von der Krone Böhmens getrennt werden dürfe und das Privileg von König Matthias Corvinus aus dem Jahr 1471 über die die Bestätigung der städtischen Statuten und Willküren. Ausgestellt in Prag, auf dem königlichen Schloss Quellenangabe: Archivverbund Bautzen, Stadtarchiv, 61000-3498

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