Buchumschläge aus recyceltem Pergament: Farbenfrohes Fragment einer mittelalterlichen Chorhandschrift entdeckt!

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Noch heute werden Bücher in vielfältige Materialien wie Leder, Leinen oder schlichte Pappe eingebunden. In Mittelalter und Früher Neuzeit verwendete man zum Schutz des kostbaren Buchinhalts zudem vermehrt Holz oder Pergament. Da vor allem letzteres als wertvoller Rohstoff galt, wurden oftmals auch ältere Schriftstücke, die ihre Eigentümer als entbehrlich erachteten, für andere Zwecke wiederverwendet. Für das Recycling eigneten sich – zumindest nach Einschätzung der Zeitgenossen – insbesondere nicht mehr gebrauchte liturgische Handschriften, etwa für den Chorgesang oder zur Auslegung der Bibel, aber auch Dokumente mit Rechts- bzw. erzählenden Texten und bisweilen sogar Urkunden, deren Bestimmungen obsolet geworden waren.

Auch das Stadtarchiv Bautzen verwahrt zahlreiche buchförmige Archivalien, darunter überwiegend Rechnungsbände, die vornehmlich im Laufe des 17. Jahrhunderts mit spät- und vereinzelt auch hochmittelalterlichen Pergamenthandschriften ausgestattet wurden. Über einen optisch besonders ansehnlichen Einband, der im Vorfeld geplanter Restaurierungsmaßnahmen direkt ins Auge fiel, verfügt eine bislang nur kursorisch erfasste Wirtschaftsrechnung des Ritterguts Purschwitz (heute: Ortsteil der Gemeinde Kubschütz/Kubšicy) von 1632/33, das zu jener Zeit dem Bautzener Stadtrat gehörte.

Nach Auskunft von Dr. Christoph Mackert, Leiter des Handschriftenzentrums der Universitätsbibliothek Leipzig, „stammt (das Blatt) aus einem Graduale für den Chorgesang in der Messfeier“ und entstand wahrscheinlich im 2. oder 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Es sei „ein wirklich sehr qualitätvolles Beispiel für die böhmisch beeinflusste Initialmalerei“, die in diesem Zeitraum auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Verbreitung fand (Link zum Tweet)

Es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen fortschreitender Erschließungsarbeiten weitere spannende Einbandfunde zu Tage treten werden.

Wirtschaftsrechnungen des Ritterguts Purschwitz aus den 1620er- und 1630er-Jahren (Archivverbund Bautzen, Stadtarchiv, Best. 65001 Dorfschaften)
Pergamenteinband aus einem Graduale von 1425/75 (Archivverbund Bautzen, Stadtarchiv, Best. 65001 Dorfschaften Nr. 114.24)

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