Historische Adressbücher sind wertvolle Quellen für die Erforschung der regionalen Geschichte und besonders für die private Familienforschung. Sie beantworten Fragen nach Namen und Behörden, Adressen oder Hausbesitz. So verwundert es nicht, dass die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek (SLUB) diese Quellen bereits seit 2012 digitalisiert und online zugänglich gemacht hat. Auch die für Bautzen zwischen 1868 und 1938 erschienenen, gedruckten Adressbücher sind über das Portal „Historische Adressbücher“ (https://www.slub-dresden.de/recherche/zeitschriftenzeitungen/selbstbedienungs-services/historische-adressbuecher/) online recherchierbar.
Wie aber erhalten Sie Informationen, ob Ihre Vorfahren vor 1868 als Bürger in Bautzen gelebt haben? Hier können Ihnen neben den Ratsprotokollen die sogenannten Bürgerrollen bzw. Bürgerbücher weiterhelfen, die von den Städten im Zuge der Einführung der allgemeinen Städteordnung in Sachsen ab 1832 verpflichtend zu führen waren. Sie informieren über den Namen und die Herkunft derjenigen Personen, die das Bürgerrecht erwerben wollten. Dafür mussten verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, andererseits privilegierte es die Bürger aber auch gegenüber den anderen Einwohnern, beispielsweise bei der Ausübung eines Gewerbes oder dem Wahlrecht.
In Bautzen ist die Bürgerrolle schon deutlich eher eingeführt worden, der erste überlieferte Band umfasst die Jahre von 1757 bis 1859 (Signatur 68010-22). Während das Buch für die ersten Jahre in der Regel nur den Namen, die Herkunft und den ausgeübten Beruf auflistet, finden sich ab ca. 1830 auch Angaben zum Grundbesitz. Dieser war, neben der eigenen Mündigkeit, dem christliche Glauben, einem gesichertes Einkommen und einem Wohnsitz in der Stadt, eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Erlangung des Bürgerrechts.
Während die meisten der Antragsteller eine Gebühr von fünf Reichstalern für die Erteilung des Bürgerscheins entrichten mussten, erhielten Angestellte im staatlichen (und damit auch städtischen) Dienste sowie Militärangehörige, Geistliche und Lehrer das Bürgerrecht gratis. Keinen Anspruch auf Erteilung des Bürgerrechts hatten Personen, „deren Erwerbszweig in einer gemeinen, eine kunst-oder handwerksmäßige Kenntniß nicht erfordernde Lohnarbeit, wie z.B. der Tagelöhner, Holzhacker, Lastträger, Aufwärter, und dergleichen besteht...". Sofern diese aber ein gesichertes Einkommen und einen guten Leumund nachweisen konnten, bestand auch für sie die Möglichkeit, das Bürgerrecht auf Antrag zu erhalten.
Nachfolger der Bürgerrolle von 1757 bis 1859 ist die Bürgerrolle von 1860 bis 1895 (Signatur 68010-15). Beide Bände verfügen über ein Namenregister, über das die gesuchte Person im Buch zielgerichtet ausfindig gemacht werden kann. 1896 wurde vom Stadtrat eine neue Bürgerrolle angelegt, die rückwirkend ab 1831 noch einmal die Bürger auflistet, allerdings nun ergänzt um das Datum des Wegzuges oder um das Sterbedatum der eingetragenen Person. Diese Bürgerrolle wurde bis zum Juni 1923 geführt. (Signatur 68010-4)
Etwas außerhalb dieser Reihe stehend, aber dennoch sehr aufschlussreich ist eine Bürgerrolle, die zwischen 1759 und 1868 (Signatur 68010-14) die Gewerbetreibenden der Stadt erfasst und neben dem Todesdatum beispielsweise auch die Aufgabe des Bürgerrechts beispielsweise wegen Wegzug vermerkt. Sozialgeschichtlich interessant sind auch Randbemerkungen, die angeben, welchen Weg der Lebenslauf der Person im Alter nahm. Man erfährt zum Beispiel, ob die Person Almosenempfänger war oder im Hospital lebte.
Die Bürgerollen bilden die Kernüberlieferung des Bestandes „Bürgerbücher“, ergänzend gehören zum Bestand noch diverse andere Übersichten und Nachschlagewerke, die weiterführende Informationen enthalten. Besonders zu erwähnen ist dabei ein 1861 erstelltes Buch mit dem Namen „Tabellarischer Auszug aus dem Brandversicherungscatatster respektive dem Brand- und Hypothekenbuch und der Bürgerrolle der Stadt Budißin“ (Signatur 68010-1). Dieses Verzeichnis listet über die Brandkatasternummer die städtischen Grundstücke in der Innenstadt und der Vorstadt auf und gibt jeweils den Namen des Inhabers, den Stand seines Gewerbes, die Nutzungsart des Gebäudes sowie den Tag der Erteilung des Bürgerrechts an. Durch einen zusätzlichen Eintrag der Straßennamen neben der Brandkatasternummer ist die geographische Lage der Grundstücke gut zuzuordnen.
Für den Nachweis von Wegzügen aus Bautzen zwischen 1840 – 1874 ist das „Kataster über die Bürgerrechtsaufhaltungsgebühr“(Signatur 68010-1) ein wichtiges Hilfsmittel. Anhand dieses Bandes kann man sehr gut die Wanderbewegungen aus der Stadt für das 19. Jahrhundert nachvollziehen. Umzüge wurden dabei sowohl in die damals noch selbständige Seidau, als auch in weiter entfernte Orte vermerkt. Beispielhaft sind die einzeln ausgestellten Bürgerverpflichtungen für das Jahr 1849 überliefert (Signatur 68010-16).
Der Bestand „68010 Bürgerbücher“ hat besonders für die genealogische Forschung bezüglich Bautzener Vorfahren eine hohe Relevanz. So geriet er in das Blickfeld von Willy Mendel, der in den 1920er Jahren im Rahmen der damaligen sogenannten „Sippenkunde“ umfangreiche Untersuchungen durchführte. Dabei entstanden zahlreiche Karteien, Listen und Aufstellungen, die ebenfalls in dem Bestand überliefert sind.
Anfang der 2000er Jahre interessierte sich auch die Genealogische Gesellschaft in Utah, heute Family Search, für den Bestand und bannte Teile daraus auf Mikrofilm. Als Datenlieferant haben wir kürzlich die Digitalisate der Mikrofilme erhalten und können diese auch online präsentieren. Wir haben die digitalisierten Mikrofilme mit in unsere Präsentation auf FINDBUCH.NET eingebunden, wo Sie Ihnen unter online zur Verfügung stehen:
https://www.archivverbund-bautzen.findbuch.net/php/main.php#3638303130
Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass der Verein für Computergenealogie es sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst viele Adressbücher für Familienforscher auffindbar und durchsuchbar zu machen. Die vielfältigen Informationen werden im Portal Adressbücher im GenWiki http://wiki-de.genealogy.net/Adressb%C3%BCcher zusammengestellt.