Engagierte Spender retten 150 Seiten über die Geschichte der Sorben

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Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie kommen in den Archivverbund, um mehr über die Geschichte der sorbischen Bevölkerung in ihrem Heimatort Neschwitz zu erfahren. Freudig entdecken Sie in der Datenbank eine Akte des Staatsfilialarchivs mit dem Titel „Protokoll über verschiedene neu besetzte Laßnahrungen auf den Rittergütern Neschwitz, Holscha, Zescha, Jeßnitz und Doberschütz“, die Sie gerne einsehen möchten. Ihre Freude wird schnell getrübt, als sie sehen, dass die Akte vom Archivpersonal gesperrt werden musste, weil ihr Erhaltungszustand eine Einsichtnahme nicht zulässt.

In der Schadensbeschreibung lesen Sie von Schimmelbefall, Verschmutzung und Stockflecken. Im Regelfall müssen Sie nun darauf warten, dass eine Restaurierung der Akte durch das Archiv unabhängig von Ihrem Benutzungswunsch in Auftrag gegeben wird. Das kann jedoch sehr lange dauern, da das Archiv bereits für die nächsten Jahre Prioritäten gesetzt hat, in welcher Reihenfolge geschädigte Archivalien behandelt werden.

Dank einer Spende der AIB GmbH Architekten Ingenieure Bautzen war es nun dennoch möglich, die Akte durch einen Dienstleister, die Firma Buchrestaurierung Leipzig GmbH, restaurieren zu lassen. Zuerst erfolgte die Sterilisation der knapp 150 Seiten umfassenden Akte durch Gammabestrahlung. Im nächsten Schritt wurde die alte Fadenheftung gelöst und alle Blätter trocken gereinigt. Alle sehr stark geschädigten Seiten wurden in der Nassbehandlung durch Anfaserung stabilisiert, Fehlstellen im Papier kaschiert. Abschließend wurde die Akte wieder geheftet und alle Blätter foliiert, d. h. mit Blattnummern versehen. Nun steht die Akte der Forschung wieder zur Verfügung.

Darin enthalten sind Laßverträge (Laß- von Überlassen) aus dem Zeitraum 1766 bis 1776. Mit diesen Verträgen überließ der Gutsbesitzer von Neschwitz  einzelnen Untertanen Grundstücke (früher auch Nahrungen genannt) meist zur lebenslänglichen Benutzung. Die Laßnahrungsbesitzer mussten dafür Abgaben und Dienste leisten. Das nichterbliche Laßgutverhältnis  war in der Oberlausitz weit verbreitet. Die Verträge enthalten genaue Auflistungen und Wertangaben des Inventars, zu dem u. a. Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Garten- und Ackerflächen, Vieh und Sämereien, Geräte und Ausstattungsgegenstände gehörten.

Außerdem sind teilweise auch Angaben über familiäre Verhältnisse der Laßbauern und über die Qualität der Bewirtschaftung der Güter gemacht worden. Damit ist die nun frisch restaurierte Archivale aus dem Bestand 50177 Gutsherrschaft Neschwitz (D), Signatur 275, ein sehr gutes Zeugnis für die Oberlausitzer Sozial- und Agrargeschichte sowie für die sorbische Geschichte.

Zusätzlich zu dieser Akte finanzierte die AIB GmbH auch die Restaurierung einer Akte aus dem Stadtarchiv. Dabei handelt es sich um eine Anklageschrift gegen drei Bürger, die 1821 als heilige drei Könige verkleidet in Nadelwitz gebettelt haben.

Trotz der in den letzten Jahren umfangreich eingesetzten Mittel zur Bestandserhaltung, gibt es nach wie vor eine große Anzahl von geschädigten Akten in beiden Archiven. Die Gründe dafür sind in den teilweise sehr schlechten Lagerungsbedingungen vor 1990 zu suchen. „Wir sind über jede private Initiative dankbar, die uns unterstützt, Archivgut dauerhaft zu erhalten und vor allem nutzbar zu machen“, erklärt Grit Richter-Laugwitz, Leiterin des Archivverbund Bautzen. 

Die Spender (hinten) Matthias Medack und Marén Kupke bewundern bei Anja Moschke (l.) und Josephine Winkler vom Archivverbund Bautzen das Ergebnis der Restaurierung. (Foto: Laura Ziegler, Abteilung Pressearbeit und Stadtmarketing der Stadtverwaltung Bautzen. Das Bild darf ohne Zustimmung des Urhebers nicht verwendet werden.)

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