Ratsprotokolle – Kernüberlieferung der städtischen Verwaltung

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Kennzeichen einer Stadt im Mittelalter waren Gebäude wie das Rathaus, die Befestigungsanlagen und vor allem auch die Rechte und Privilegien wie das Marktrecht oder das Recht der freien Ratswahl. Nach aktuellem Forschungsstand wird das Jahr 1213 als Gründungsjahr für das Rathaus und die Einsetzung eines Rates in Bautzen anerkannt. Wahrscheinlich setzte der damals hier weilende böhmische König einige gelehrte Männer der Stadt als Ratsherren ein. Der Rat etablierte sich schon bald vom Landesherrn und erwirkte 1391 das Recht zur Durchführung der freien Ratswahl. Der Rat sollte aus 13 Männern bestehen, sechs Bürgerliche, sechs Handwerker und zudem einem Bürgermeister, der pro Jahr wechselseitig aus dem bürgerlichen Lager oder von den Handwerkern stammte. Der regierende Bürgermeister (Consul) hatte das Amt nur für ein Jahr inne und gab es dann an ein anderes Ratsmitglied weiter. Er selbst verblieb aber weiterhin im Gremium. Nur bei Tod oder Ausscheiden im Krankheitsfall konnten andere Personen in den Rat nachrücken, die dann auch aus dem Gremium heraus bestimmt wurden.

Um die Zusammensetzung des Rates gab es über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder  Auseinandersetzungen. Unabhängig davon trafen sich die Mitglieder des Rates mehr oder weniger regelmäßig im Rathaus, um über die anstehenden Probleme und Aufgaben in der Stadt zu beraten. Die Ergebnisse wurden protokolliert. Diese Protokollbände sind seit 1623 im Stadtarchiv vorhanden und nehmen als städtische Kernüberlieferung eine besondere Rolle im Bestand ein. Die Überlieferung reicht bis 1832. Mit dem Gesetz zur Einrichtung der allgemeinen Städteordnung wurde die Praxis der Ratswahl erneuert. Wurde das Ratskollegium bisher bei Tod oder Krankheit eines Mitglieds durch Berufung ergänzt, erfolgte ab 1832 eine Wahl in das Ratskollegium.

Für die Zeit zwischen 1623 und 1832 liegen 256 Bände in Form von Amtsbüchern vor. Dabei handelt es sich um gebundene Protokollbände, deren Umfänge zwischen 50 und 300 Blatt liegen. Die Bände waren durch biologische und mechanische Schäden wie Tintenfraß, Schimmel und Durchschüsse teilweise schwer geschädigt. Seit 1991 wurden umfangreiche Mittel zur Restaurierung eingesetzt, um die Bände der Nachwelt zu erhalten und benutzbar zu machen. Für die letzten 20 Bände, die noch einer Restaurierung bedürfen, können in diesem Jahr wahrscheinlich Mittel aus einem Förderprogramm des Bundes eingesetzt werden. Ein Großteil der Bände wurde 2019 digitalisiert und ist jetzt über das Portal findbuch.net einsehbar:

https://www.archivverbund-bautzen.findbuch.net/php/main.php

Für die bisher nur analog vorliegenden Bände soll die Digitalisierung in den nächsten Jahren noch erfolgen.

Schauen wir uns den Inhalt der Bände etwas genauer an: Zu Beginn jeden Jahres fand die Ratskür, auch Ratswahl genannt, statt. Der alte Rat versammelte sich im Rathaus und der amtierende Bürgermeister blickte auf seine Regentschaft zurück. Danach wurde nach einem festen Ritual der alte Rat entbunden und in der Regel sogleich als neuer Rat wieder verpflichtet. Aus den Mitgliedern wurde der neue regierende Bürgermeister bestimmt, der dann den Amtseid zu leisten hatte. Diese Wahlhandlung kann in den einzelnen Bänden jeweils im Januar gut nachvollzogen werden. Im Text bzw. als Randeinträge werden auch die Namen und Funktionen der Mitglieder des Rates benannt.

Die eigentlichen Zusammenkünfte des Rates fanden normalerweise zweimal pro Woche statt, wenn mehr Gesprächsbedarf war aber auch deutlich öfter. Die Sitzungen sind in den Bänden chronologisch abgebildet. Nur wenige Bände verfügen über ein sachliches Register (siehe 62100-100 Band von Januar 1700 bis Januar 1701). In der Regel werden am Anfang jeder Sitzung der Wochentag und das Datum genannt. Danach folgen die inhaltlich besprochenen Punkte. Gewöhnlich trägt ein Mitglied des Rates ein eigenes Anliegen oder ein Anliegen aus der Bürgerschaft vor. Sofern Anträge auf Erteilung des Bürgerrechts vorliegen, werden diese am Ende der Sitzung namentlich aufgeführt und darüber entscheiden. Ergänzend finden sich auch Eintragungen über die namentliche Besetzung von anderen städtischen Ämtern oder Übersichten zu den Handwerkern.

Inhaltlich gesehen sind die Ratsprotokolle eine profunde Quelle, aus denen viele stadtgeschichtliche Informationen herauszulesen sind. Auf Grund ihrer protokollartigen Form sind sie allerdings teilweise nur sehr schwer lesbar, was ihre Benutzung aufwendig macht. Durch die Onlinestellung wird die Nutzbarkeit deutlich verbessert und es ist zu wünschen, dass diese Quelle mehr als bisher in die Forschung einbezogen wird. 

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