Vortrag "Im Dienst der Volksgesundheit. Die Gesundheitsämter Bautzen und Zittau im Nationalsozialismus."

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Im September setzt der Archivverbund Bautzen seine Veranstaltungsreihe mit einem Blick in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte fort.

"Wozu lebt so einer? Er nützt keinem Menschen etwas!“ sind die Worte eines Stiefvaters über seinen Stiefsohn Helmut in einer Akte des Gesundheitsamtes Zittau. Helmut hatte eine Hörschädigung, die zu einer Sprachstörung führte. Außerdem litt er an den Spätfolgen einer spinalen Kinderlähmung, durch einen Kletterunfall hatte er zudem einen Arm verloren. Das reichte aus, um ihn von Seiten des Gesundheitsamtes als „minderwertig“ und „schwachsinnig“ zu diagnostizieren. Auch im heimischen Umfeld fand Helmut keinen Schutz, der Stiefvater misshandelte ihn und der Bürgermeister seiner Heimatgemeinde bat das Gesundheitsamt, Helmut in Großschweidnitz unterzubringen. 

Am 14. Juli 1933 erließ das NS-Regime das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, welches zur Folge hatte das tausende Menschen denunziert, untersucht und zwangssterilisiert wurden, teilweise starben die Menschen an den Folgen der Operation. Wiederum andere „Kranke“ wurden in Anstalten zwangseingewiesen z. B. in die Landesanstalt Großschweidnitz. Zu den Betroffenen zählten z. B. Alkoholiker, Manisch-Depressive, Epileptiker, Homosexuelle, geistig oder körperlich Behinderte. Den Gesundheitsämtern hatte man die Aufgabe gegeben, Erbkrankheiten „auszumerzen“, weil man die „Kranken“ als minderwertig betrachtete. Die NS-Gesundheitspolitik wollte, dass nur gesunde „Volksgenossen“ Kinder bekommen sollten. Auch hier in Bautzen und in Zittau gab es Gesundheitsämter, welche dieses Ziel verfolgten.

Frau Dr. Maria Fiebrandt, Historikerin an der Gedenkstätte Großschweidnitz hat sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und die von den Gesundheitsämtern der Oberlausitz im Staatsfilialarchiv Bautzen überlieferten Akten eingesehen. Die Gedenkstätte Großschweidnitz erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde in der Landesanstalt Großschweidnitz. Über 5500 Frauen, Männer und Kinder wurden durch überdosierte Beruhigungsmittel, Unterernährung und mangelnde Pflege ermordet. Über 2000 Menschen kamen von Großschweidnitz aus in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein und wurden dort ermordet. In ihrem Vortrag wird Frau Dr. Fiebrandt Akteure, aber auch einige der in den Akten überlieferten Betroffenenschicksale in den Blick nehmen.

Der Vortrag findet am Dienstag, den 9. September 2025 um 19.00 Uhr im Veranstaltungssaal auf der Schloßstraße 12 statt. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

Plakat der Deutschen Arbeitsfront zur Gesundheitsuntersuchung. Volksgesundheits- und Betriebsführungsbilderdienst, [1933/1945] (Berlin SW68: Wirtschafts Werbeverlag Curt Cowall)

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