Projekt zur Trockenreinigung und archivgerechten Verpackung von Kämmereiunterlagen aus dem Stadtarchiv Bautzen erfolgreich abgeschlossen

  KategorienArchiv Bautzen
Blick ins Regal der Kämmereibelege

Nach den Kämmereibüchern sind nun auch die dazu gehörigen Kämmereibelege, die die städtischen Einnahmen und Ausgaben aus der Zeit von 1635 bis 1868 fast lückenlos dokumentieren, nach Trockenreinigung und Neuverpackung wieder zurück im Magazin des Stadtarchivs Bautzen. Damit stehen die Unterlagen nun (endlich) in einem wesentlich verbesserten Zustand der Forschung und sonstigen Interessierten zur Verfügung. Schon beim ersten, flüchtigen Blick in eine der Archivboxen kann man sehen, um was für einen Schatz es sich dabei handelt!
Nehmen wir beispielsweise die Jahre 1669 und 1670 in den Blick: Die Oberlausitz gehörte seit 35 Jahren zum Kurfürstentum Sachsen, das Ende des Dreißigjährigen Krieges war bei den meisten Bewohnern noch in Erinnerung. Erst langsam erholte sich die Bevölkerung wieder von den Verlusten und Entbehrungen, der Wiederaufbau der Stadt ging schleppend voran. Der städtische Rat musste das städtische Leben organisieren und gleichzeitig überlegen, wie er die in Kriegszeiten aufgenommenen Schulden zurückzahlen konnte. Die Kämmereibelege geben uns heute einen tiefen Einblick in die damalige Zeit. Besonders die Aufwendungen für Baumaßnahmen sind detailliert nachvollziehbar.
Zum Beispiel legte der städtische Baumeister, zu der genannten Zeit war das der auch über Bautzen hinaus bekannte Martin Pötzsch, dem städtischen Rat sogenannte „Bauzettel“ vor, auf denen genau vermerkt war, welche Arbeiten an städtischen Gebäuden oder Straßen anfielen, welche Materialien verwendet wurden und wie viele Personen beschäftigt waren. Weitere dieser quittungsartigen Abrechnungen finden sich auch für die Lieferung von Steinen, Holz und Dachziegel. Andere Konvolute geben Auskunft über die Vermietung städtischer Grundstücke und Gebäude. Mikroforschungen zur Handels- und Sozialgeschichte könnten auch anhand der umfangreich überlieferten Übersichten zu den Märkten, insbesondere den mehrmals jährlich stattfindenden Jahr- und Wollmärkten durchgeführt werden. Einen kleinen Eindruck über die vorhandenen Unterlagen bekommen Sie hier.

Deutlich erkennbar ist, dass die Kämmerei im Laufe der Jahre ihre eigene Aktenführung immer mehr verbesserte. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts finden sich dann in der Regel die Belege recht gut sortiert und entsprechend den Einträgen im Kämmereibuch klassifiziert. So liegen beispielsweise für das Jahr 1772 die Einnahmen (Percepta) und Ausgaben (Exposita) nicht nur im Kämmereibuch nach Kapiteln geordnet vor, sondern die Ordnung findet sich auch in den Belegen wieder, was die Nutzung deutlich erleichtert. Hier finden Sie einen Auszug aus dem Kämmereibuch von 1772. Nach dem Deckblatt ist beispielhaft eine Einnahmeposition (Frankensteinsche Mühle) und eine Ausgabeposition (Lauenturm) zu sehen. Nachfolgend sind die gesamten Einnahmen in Höhe von 12.890 Taler und die gesamten Ausgaben in Höhe von 12.580 Taler aufgeführt, was bedeutete, dass die Stadt im Jahr 1772 einen Überschuss von 310 Taler erwirtschaftet hatte.

Während das gereinigte Kämmereibuch nun in einer Klappkassette aufbewahrt wird, liegen die umfangreichen Belege des Jahres 1772 in drei Archivboxen. Beispielhaft zeigen wir die Einzelaufstellungen für die Arbeiten am Lauenturm, für die Besoldung des Baumeisters, für die Besoldung des Stadtarztes sowie die Ausgaben für den Apotheker.
Spannend bei den Ausgaben für den Apotheker ist, dass es sich u.a. um Ausgaben handelte, die zur Behandlung verletzter Zimmerleute angefallen waren. Ein anderer Querverweis erscheint auch noch erwähnenswert: Den damaligen Baumeister Johann Gottlob Pensch finden Sie auch auf dem Gedenkstein an der Neuen Wasserkunst wieder, der anlässlich der Erneuerung des Mühlgrabens errichtet wurde. (siehe Foto)

Die Kämmereibelege sind vor dem Stadtbrand vom 2. Mai 1634 vereinzelt, danach aber fast lückenlos bis 1868 vorhanden. Sie sind in 477 Archivboxen eingelagert und jetzt sehr komfortabel benutzbar. Eine vollständige Übersicht sowohl der vorhandenen Belege als auch der vorhandenen Kämmereibücher der Stadt Bautzen finden Sie hier

Für die nun abgeschlossene zweijährige Fördermaßnahme „Trockenreinigung und archivgerechte Verpackung von Kämmereiunterlagen aus dem Stadtarchiv Bautzen“ hat die Stadt Bautzen aus dem Sonderprogramm zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), umgesetzt durch die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) insgesamt 24.500 € Bundesmittel erhalten, die durch den Freistaat Sachsen mit Landesmitteln in Höhe von 15.000 € ergänzt wurden. Die aufgewendeten Eigenmittel betrugen 9.500 €. 

Alles in allem handelt es sich bei dem Bestand um einen Quellenschatz, der detaillierte Forschungen v.a. zur Bau-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt ermöglicht, wie er sich in dieser kompakten Form von Anfang des 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts in deutschen Archiven nur selten erhalten haben dürfte.

Blick ins Regal der Kämmereibelege
Blick auf die gereinigten und neu verpackten Kämmereibelege im Magazin des Stadtarchivs (Foto: Grit Richter-Laugwitz)
Blick auf den Gedenkstein, großer Granitblock mit Inschrift
Zur Erneuerung des Mühlgrabens errichteter Gedenkstein an der neuen Wasserkunst (Foto: Michael Linke)

Zurück